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Global Health Day: „Gesundheitsprobleme kennen keine nationalen Grenzen"

07.03.2025

Warum die Gesundheitsversorgung heute global gedacht werden muss: Interview mit LMU-Professorin Katja Radon.

Teilnehmende des Global Health Day 2024 diskutieren an einem Informationsstand

Teilnehmende des Global Health Day 2024 | © Fausto Ignatov

Katja Radon ist Leiterin des Center for International Health am Klinikum der LMU und die akademische Vorsitzende der LMU für die European University Alliance for Global Health. Im Interview erklärt die LMU-Professorin, warum die Gesundheitsversorgung heute global gedacht werden muss, wie ihre Arbeit dem Frieden auf der Welt dient und was Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim zweiten Global Health Day an der LMU erwartet, zu dem interessierte Studierende, Forschende und Mitarbeitende eingeladen sind. (Anmeldungschluss für eine Teilnahme ist der 19.3.2025.)

Eine hochwertige Gesundheitsversorgung wird in Industrieländern als selbstverständlich angesehen. Warum sollte der globale Blick dennoch nicht vernachlässigt werden?

Katja Radon: Die globale Dimension von Gesundheit ist entscheidend geworden, da Gesundheitsprobleme wie Pandemien, Klimawandel und Migration keine nationalen Grenzen kennen. Nur durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit und interdisziplinäre Ansätze können nachhaltige Lösungen für diese globalen Herausforderungen gefunden werden.

Themen wie Massenflucht, geopolitische Instabilitäten und soziale Ungerechtigkeit wirken sich direkt auf die Gesundheit von Menschen aus. Sie führen zu Versorgungsengpässen, psychischen Belastungen und Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Wir brauchen hierfür aktuell nur in den Gazastreifen oder in die Ukraine zu blicken.

Nachhaltige Lösungen für lokale Gesundheitsprobleme finden

Wie gestaltet sich die medizinische Versorgung in Ländern, die eine andere Infrastruktur haben?

In Niedrig- und Mitteleinkommensländern ist die Gesundheitsversorgung oft eingeschränkt durch begrenzte Ressourcen, fehlende Infrastruktur und Fachkräftemangel. Dadurch wird der Zugang zu medizinischen Leistungen erschwert. Am Center for International Health (CIH) an der LMU fokussieren wir vor allem auf die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften – von kurzen Weiterbildungsangeboten auch für unterstützende Gesundheitskräfte wie zum Beispiel Community Health Workers bis zum PhD-Programm und Förderung von Post-Doktoranden.

Was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des zweiten Global Health Day am 24. und 25. April 2025 an der LMU?

Ein vielfältiges Programm mit Präsentationen, Diskussionen und vor allem auch vielen spannenden Workshops zu aktuellen Themen wie Migration, Klimawandel, globaler Gerechtigkeit sowie Innovationen in der globalen Gesundheitsausbildung und -forschung. Ziel ist es, den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in gesellschaftlich relevante Lösungen zu fördern. Es ist aber auch eine hervorragende Möglichkeit für Kolleginnen und Kollegen aller Fakultäten, die auf dem Gebiet Global Health lehren und forschen, sich zu vernetzen und dabei auch die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an den Partneruniversitäten der European University Alliance for Global Health (EUGLOH) kennenzulernen.

Wobei handelt es sich bei EUGLOH, deren akademische Vorsitzende Sie für die LMU sind?

Die Hauptziele von EUGLOH sind die gemeinsame, interdisziplinäre Ausbildung im Bereich Global Health an neun europäischen Hochschulen – von Angeboten für Bachelor-Studierende, Zertifikatsprogrammen neben dem Kernstudium, gemeinsamen Masterabschlüssen über die gemeinsame Betreuung von PhDlern bis hin zu Lifelong-Learning-Angeboten. Die Universitäten bieten dabei Studierenden wie Lehrenden die Möglichkeit des Austauschs – von einem Kurzzeitaufenthalt in Porto im Süden bis Tromsö im Norden oder einem Auslandssemester in Paris im Westen bis Szeged im Osten Europas. Der europäische Gedanke ist aus meiner Sicht aktuell wichtiger denn je – wir müssen schon in der Schule, aber spätestens bei jungen Studierenden beginnen, dass europäischer Austausch zum Alltag gehört und sie einen wichtigen Teil davon bilden.

Das CIH an der LMU vereint 14 Institute, Kliniken und Zentren. Welches Ziel wurde mit der Gründung verfolgt?

Das CIH am Klinikum der LMU wurde 2009 gegründet, um internationale Zusammenarbeit im Bereich globaler Gesundheit zu fördern. Durch die Aus- und Weiterbildung von Forschungskapazitäten in den Partnerländern sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit sollen die Partner befähigt werden, nachhaltige Lösungen für lokale Gesundheitsprobleme zu finden.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Ein Leuchtturmprojekt ist das PhD-Programm in Medical Research – International Health, das als Sandwichprogramm angeboten wird. Dabei bringen die Kandidaten selbst ihre Forschungsthemen mit, das heißt, diese sind auf die lokalen Bedürfnisse abgestimmt. Auch sind die Kandidaten nur über zweimal drei Monate sowie zur Verteidigung ihrer Doktorarbeit an der LMU – die Forschungsperioden selbst und das Schreiben der Dissertation findet im Heimatland statt. Betreut werden die Arbeiten von der LMU und lokalen Professorinnen und Professoren. Hierdurch stellen wir sicher, dass fast alle unserer Kandidatinnen und Kandidaten nach Abschluss der Promotion in die Heimatländer zurückkehren, also ein Brain-drain verhindert wird.

Wie gestaltet sich Ihre weitere Arbeit über das PhD-Programm hinaus?

Wir bieten eine Vielzahl von Kurzprogrammen an – von einer ein- oder zweitägigen Veranstaltung wie dem Global Health Day bis hin zum mehrmonatigen Diplomprogramm an den Partneruniversitäten. Diese werden in der lokalen Sprache angeboten und richten sich oft auch an Fachgruppen wie Community Health Workers, die die Basisgesundheitsversorgung sicherstellen. Hierbei ist es immer wichtig, dass die Kurse evidenzbasiert und mit neuer, problem- oder kompetenzorientierter Methode angeboten werden – egal ob in Präsenz oder online. Ein Highlight dieser Programme war die Online-Schulung zu Infektionsprävention während der Corona-Pandemie. Mit diesem fallbasierten Onlinekurs konnten wir fast 4000 Gesundheitsfachkräfte in Ecuador erreichen – von der Laborkraft bis zur Ärztin. Dieses Projekt fand, dank der Verbindungen unserer Alumni in Lateinamerika, in Kooperation mit der damaligen Gesundheitsministerin von Ecuador statt – heute als Professorin an einer unserer Partneruniversitäten Projektpartnerin.

Alumni stützen globale Zusammenarbeit

Alumni spielen eine zentrale Rolle in Ihrer Arbeit. Wie unterstützen sie das CIH?

Unser Alumninetzwerk stärkt die globale Zusammenarbeit, etliche unserer Alumni arbeiten an Universitäten und in der Politik. Die Partneruniversitäten führen gemeinsam Forschungsprojekte durch, hierfür können wir dank der Förderung durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aus Geldern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Mittel zur Forschungsförderung vergeben.

Prof. Dr. Katja Radon

Prof. Dr. Katja Radon | © Jens Kahnert-Radon

Können Sie die Politik mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit überzeugen?

Viele unserer Alumni sind heute in der Politik der Partnerländer involviert. Manche in der Lokalpolitik, andere auf nationaler Ebene oder in globalen Organisationen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Zudem sind wir im Austausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMZ und können so die Politik direkt über unsere Ergebnisse informieren.

Veranstaltungen wie der Global Health Day fördern den direkten Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, um gemeinsam nachhaltige und wirksame Strategien zu entwickeln. Allerdings ist dieser Punkt noch ausbaufähig – auch daran arbeiten wir in der gerade begonnenen Projektphase.

Welche Themen sind Ihnen über die reine Forschung hinaus wichtig?

Kurz gesagt: Die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Lehre und Weiterbildung, die One-Health-Lehre, die Förderung von Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in Projekten und Lehre sowie die praxisnahen Fortbildungsprogramme und enge Zusammenarbeit mit nicht-akademischen Stakeholdern wie Nichtregierungsorganisationen und politischen Entscheidungsträgern.

Chancen für Studierende

Sie sagen, Ihre Arbeit trägt auch zum Frieden bei. Wie genau?

Durch die internationale Zusammenarbeit und insbesondere die gemeinsame Ausbildung junger Menschen aus verschiedenen Disziplinen und Ländern. Ein Beispiel hierfür ist unser Zertifikatsprogramm „Global Health“. Dieses bietet Studierenden der LMU und aller ihrer Partneruniversitäten die Möglichkeit, gemeinsam neben ihrem Hauptstudium diverse Facetten von Global Health kennenzulernen und an Lösungen in interdisziplinären und internationalen Teams zu arbeiten. Nach einer Kick-off-Veranstaltung, die im Rahmen des Global Health Day hybrid stattfindet, nehmen die Studierenden über ein Jahr lang an diversen Veranstaltungen, meist online, teil. Zum Abschluss treffen sie sich nach Möglichkeit persönlich wieder, präsentieren gemeinsam ihre Abschlussarbeiten.

Hier entstehen Freundschaften, eine intensive Arbeit in internationalen, interdisziplinären Teams vermittelt, was es bedeutet, sich auf Vielfalt einzulassen und die gegenseitige Perspektive und deren Relevanz für die Gesundheit zu erkennen. Nicht selten werden wir und unsere Partner schon heute als Experten auf dem Gebiet eingeladen. Unsere Erfahrung der Arbeit ‚auf Augenhöhe‘ ist zum Beispiel auch in der Begutachtung von Anträgen gefragt.

Wie können Studierende die Arbeit des CIH aktiv unterstützen?

Studierende können durch aktive Teilnahme an internationalen Forschungsprojekten, Praktika und interdisziplinären Kursen helfen. Sie können an unserem Zertifikatsprogramm teilnehmen. Durch das Engagement beim CIH sammeln sie wertvolle interkulturelle Kompetenzen und erlernen, globale Gesundheitsprobleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Der Global Health Day bietet Studierenden eine hervorragende erste Gelegenheit, mit Wissenschaftlerinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen und Kulturen in Kontakt zu treten, ihr Verständnis für globale Herausforderungen zu vertiefen und praktische Erfahrungen durch Workshops und Diskussionen zu sammeln.

Global Health Day 2025

Der zweiter Global Health Day findet vom 24. bis 25. März 2025 unter dem Motto „Von der Wissenschaft zur Gesellschaft“ statt. Anmeldungen für eine Teilnahme sind bis zum 19. März 2025 möglich.

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Eindrücke vom Global Health Day 2024

07.03.2025

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